Kreis Bergstrasse

Überraschung in der Zwingenberger Scheuergasse: Die Nikolaustruppe rattert über das Kopfsteinpflaster. Foto: soe
21. Dezember 2022 

Vespa in Lametta: Santa Claus trägt Helm unter der Mütze

Nikoläuse rollen durch die Region | Blechvespen Bergstraße auf Advents-Überraschungstouren

BERGSTRASSE, Dezember 2022 (tt), Das Thema Helmpflicht blenden wir jetzt mal vornehm aus. Der heilige Bischof von Myra steht wohl himmelhoch über der deutschen Straßenverkehrsordnung. Und die Polizei drückt mal ein Auge zu. Also: An der Bergstraße kommt der Nikolaus auf einer Vespa. Ganz im traditionellen Rot des vierten Jahrhunderts, das der freundliche ältere Herr auch damals getragen haben soll, als er in der heutigen Türkei heimlich Geschenke an Bedürftige verteilt hat. So die Legende.

Die nahezu legendären Blechvespen Bergstraße sind allerdings – wie man erst beim zweiten Blick erkennt – durchaus gesetzestreu und tragen ihren Kopfschutz sogar unter der weihnachtlichen Zipfelmütze, was ihnen in punkto Unfallprävention ein dickes Lob vom Weihnachtsmann einbringen dürfte. Hinter der in jeder Hinsicht bunten Truppe verbirgt sich eine Handvoll leidenschaftlicher Vespa-Fans, die regelmäßig und gemeinsam anlassbezogene Roller-Touren unternehmen. An Ostern, zu Halloween, und eben auch in der Vorweihnachtszeit. Die Motivation: Freude am Fahren (sorry, von BMW geklaut) und der kollektive Wunsch, Kindern und Erwachsenen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Bei der Ausfahrt am 20. November hinauf zum Alsbacher Schloss mit einem Zwischenstopp in der historischen Scheuergasse in Zwingenberg, ist das auf jeden Fall gelungen.

Die Fahrzeuge des italienischen Herstellers Piaggio wurden liebevoll mit Girlanden und Zweigen, Lichterketten und Plüschrentiergeweihen geschmückt. Das Radio in einer weißen, mit Tannengrün geschmückten Ape, dem dreirädrigen Vespa-Nutzfahrzeug, spielte Weihnachtslieder, und die Nikoläuse verteilten Schokolade mit einem QR-Code, der auf die Instagram-Präsenz der Truppe hinweist. Dort kann man sehen, wie akribisch und liebevoll die Rollertouren vorbereitet werden. Auch der Darmstädter Weihnachtsmarkt wurde schon von der italienischen „Squadra Nicola“ heimgesucht, deren harter Kern aus sieben Akteuren besteht, die aber gerne mit Gleichgesinnten erweitert werden darf, wie Anführer Florian betont. „Flo genügt“, sagt der Mann im plüschigen Weihnachtspelz, der die einheimischen Wespen (ital.: Vespa) vor gut drei Jahren mitgegründet hat. Neue Mitfahrer sind herzlich willkommen in diesem fast schon familiären Schwarm, der sich auf dem Kultmobil aus der Toskana – genauer gesagt aus Pontedera – dermaßen wohl fühlt, dass die Sitzbank schon ein zweites Zuhause geworden ist.

Die Protagonisten kommen aus Alsbach, Bickenbach, Seeheim-Jugenheim und Pfungstadt. Angefangen hat das Ganze mit Billig-Kostümen für fünf Euro aus einem Super-Discounter, erläutert Flo. Ein spontaner Spaß, man zog die Fummel über und startete den Roller. Daraus hat sich alles weitere entwickelt. „Wir haben alle ein Rad ab, aber schauen gerne zu, wie schön es rollt.“ Mit vier Gängen und einer Motorkraft zwischen vier und 23 PS sind die Roller mehr oder weniger souverän auf das Alsbacher Schloss hinaufgeklettert. „Geht schon“, kommentiert eine der Blechwespen in Zwingenberg.

Auf die Frage, was an einer Vespa so faszinierend sei, antwortet Flo cool: „Das ganze Teil ist ein Risiko!“ Man weiß nie, ob es anspringt. Und ob dem hübschen Brummer mit seinen elegant-erotischen Kurven unterwegs die Puste ausgeht. Hinzu kommt der Rost, der den südländischen Charmebolzen ebenfalls heftig zusetzt. Vespa fahren sei gefährlich und unzuverlässig, schmunzelt ein anderer. Die Bremsen seien eine Katastrophe. Am besten, man ist auch technisch einigermaßen versiert, um die launigen Italiener jederzeit wieder auf Trab bringen zu können.
Mit den Benefiz-Aktionen anderer Vespa-Clubs in Deutschland und dem Rest der Welt haben die Bergsträßer allerdings nichts zu tun. Sie rollen aus Spaß an der Freude ohne eine einen bestimmten sozialen Auftrag, wie das jedes Jahr etwa in Köln oder Rom der Fall ist. Das beabsichtigte Lächeln auf den Gesichtern der Zuschauer genügt ihnen. Ein schöneres Geschenk kann es ohnehin kaum geben.