Bauen und Wohnen, Bensheim

Konstantin und Maximilian Wilk (v.li.) haben die Firma ihres Vaters in ein Start-up umgebaut, das mit einem effektiven System gegen flüssige Härtefälle vorgeht. Foto: Marc Fippel
03. Januar 2022 

Zwei Brüder aus Alsbach gegen die normale Härte

Innovatives Start-up ist mit einem salzfreien Wasserenthärtungssystem auf der Erfolgsspur

BENSHEIM, Januar 2022 (tt), Die Wasserhärte in Alsbach-Hähnlein beträgt 17 Grad deutscher Härte. Das bedeutet verstärkte Kalkbildung in Haushaltsgeräten und Rohrleitungen. Und unschöne Ablagerungen auf Fliesen und Glasflächen. Zwei Brüder kämpfen dagegen an: Maximilian und Konstantin Wilk haben die Firma ihres Vaters in ein Start-up umgebaut, das mit einem effektiven System gegen flüssige Härtefälle vorgeht.

Die Anfänge sind filmreif: Als der ältere Bruder Maximilian (29) vor fünf Jahren für seine Masterarbeit im Fach Wirtschaftsingenieurwesen im Silicon Valley unterwegs war, fiel ihm ein besonderes Gesetz ins Auge: der damalige kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger hatte 2006 dafür gesorgt, dass der Einsatz von Wasserenthärtern auf Salzbasis in Privathaushalten verboten wird. Die Belastung durch Chlorid war dem „Terminator“ zu hoch.
Da kam dem Unternehmersohn aus Alsbach die Idee, den in Deutschland gängigen Verfahren eine umweltfreundliche und wartungsfreie Lösung entgegen zu setzen. Mit seinem Bruder, einem Betriebswirt, hat er auf das große Know-how aus dem Unternehmen des Vaters Marian Wilk geschöpft, der seit 2004 mit physikalischen Wasseraufbereitungstechnologien für industrielle Anwendungen erfolgreich war. Auch, wenn AQON Water Solutions von Bensheim aus agiert, ist der eingetragene Sitz der Gesellschaft nach wie vor in Alsbach.

Nach dem Studium 2017 folgte die entscheidende Weichenstellung: die Brüder hatten nicht anonyme Industrieunternehmen im Blick, sondern den Endkunden, der im privaten Haushalt einen verlässlichen und preisgünstigen Entkalker sucht. Das Problem: Hartes Wasser ab einem Härtegrad von 14 enthält mehr Magnesium und Calcium als weiches. Das sind einerseits wichtige Mineralstoffe für den Körper, also kein Problem für die Gesundheit. Doch für Wasch- und Kaffeemaschinen kann das einen früheren Tod bedeuten. Bei der in Deutschland gängigen Technologie der Wasserenthärtung mittels Ionenaustausch wird der im Leitungswasser befindliche Kalk gegen Natrium ausgetauscht. Das Ergebnis: weniger Kalk, aber erhöhte Natriumchloridwerte. Also haben die Brüder Wilk an einer Lösung getüftelt, die Ablagerungen verringert, an der Ausgangsqualität des örtlichen Trinkwasserversorgers aber nichts verändert.

Mit dem System Aqon Pure setzen sie auf das Prinzip der Impfkristallbildung: Mikroskopisch kleine Fragmente aus Kalk schwimmen im Wasser und dienen dem darin zusätzlich gelösten Kalk als Andockstelle. Die Kristalle entstehen also innerhalb des Zylinders durch physikalische und chemische Prozesse aus den kalkbildenden Elementen und haben nun nicht mehr die Eigenschaft, sich an Oberflächen anzulagern. Die Impfkristalle werden einfach mit dem fließenden Wasser ausgeschwemmt. Kalk lagert er sich nicht mehr als hartnäckige Verkrustung ab, sondern lässt sich auf Flächen relativ leicht abwischen, wie die Geschäftsführer versichern. Das Gerät wird dafür einfach in die vorhandene Rohrstrecke des Haushalts integriert. Zusätzliche Anschlüsse für Abwasser oder Strom sind nicht erforderlich. Nach der Installation wird kein weiteres Verbrauchsmaterial fällig. Es muss kein Filterelement ausgetauscht oder gereinigt werden, und es fällt zudem kein Abwasser an. Auch die Zugabe von Salzen oder Kartuschen kann man sich sparen. Betrieben wird das System durch die bloße Druckkraft, die in der Rohrleitung ohnehin besteht, sagen die Hersteller.

Das kleinste Modell für ein Einfamilienhaus kostet rund 900 Euro und sei etwa zehn Jahre lang nutzbar. Die Premiumvariante für größere Gebäude und höhere Verbrauchswerte – bis zu 60 Liter pro Minute – rangiert bei gut 2300 Euro. Diese Einheit soll bis zu 20 Jahre halten. Ohne Wartung oder Salzzugabe. „Wir wollten das Thema Wasseraufbereitung für alle so verständlich und transparent wie möglich machen“, so Maximilian Wilk.

Für ihr System wurden die ambitionierten Jungunternehmer im vergangenen Jahr für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Design nominiert. Anfang November standen sie im Finale des Hessischen Gründerpreises in der Kategorie „Zukunftsfähige Nachfolge“. Zum 19. Mal wurden in Frankfurt zwölf erfolgreiche Gründer und Nachfolger aus Hessen ausgezeichnet. „Für uns ein toller Erfolg“, so Wilk, der hofft, im neuen Jahr auch beim Deutschen Gründerpreis dabei sein zu können. Der Blick in die Zukunft ist von Optimismus geprägt.

Auf den ersten Meilen hatten die Brüder allerdings nicht nur uneingeschränkt Spaß. Die Sanitärbranche hat ihr Konzept zunächst mit Argwohn beobachtet. Wahrscheinlich auch deshalb, weil das System wartungsfrei arbeitet und es in punkto Service wenig zu verdienen gibt. 2018 entschieden sie sich dann für einen Online-Vertrieb, beim dem die Firma direkt an den Endverbraucher liefert, inklusive Einbau und Geld-zurück-Garantie. Ein Traditionsbruch, der aber bald gezündet hat. Viele lokale Sanitärbetriebe hatten auf einmal reges Interesse an diesen schlüsselfertigen Einbauaufträgen. Innerhalb von zwei Jahren vergrößerte sich das bundesweite Netzwerk aus Installationsunternehmen von anfangs zehn auf über 270. Die Kunden wuchsen im gleichen Zeitraum von 50 auf bundesweit mehr als 5000. Der prognostizierte Umsatz für dieses Jahr liegt bei rund sieben Millionen Euro.

Seit dem Markstart 2018 schreibt das Unternehmen ein Umsatzwachstum im dreistelligen Prozentbereich. Am Standort im Bensheimer Stubenwald sind aktuell 16 Mitarbeiter beschäftigt. Und auch die Eltern mischen noch immer kräftig mit.