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Zimmermeister Thomas Höbel wünscht dem Projekt: Viel Glück. Foto: T. Tritsch
04. September 2024 

Zwingenberger Güterschuppen wird mit neuem Leben gefüllt

Die Instandsetzung und Umnutzung des Objekts auf dem Park & Ride-Gelände geht voran

ZWINGENBERG, September 2024 (tt), Zimmermeister Thomas Höbel hatte sich den passenden Wein mit aufs Dach genommen: einen Zwingenberger Weißwein aus der Lage Alte Burg, die er vom Gebälk aus gut sehen konnte. „Recht viel Glück“ wünschte er dem Projekt auf dem Park & Ride Gelände westlich der früheren Markthalle am Ende der historischen Scheuergasse. Zum Richtfest waren Mitte Juli zahlreiche Gäste gekommen, um sich ein Bild vom Baufortschritt zu machen. Der Tenor: Zufriedenheit und Vorfreude auf eine Belebung der Meile.

Die Innensanierung des denkmalgeschützten Güterschuppens soll im Verlauf des Oktobers beendet sein. Bis Ende des Jahres soll neues Leben einziehen in dem Objekt, das konzeptuell als „Haus in Haus“ geplant wurde. Vorgesehen ist ein urbaner Büro- und Veranstaltungsraum mit flexiblen Nutzungsoptionen.

Ein Pächter wird momentan noch gesucht. Die Auflagen der Denkmalschutzbehörde sind bereits erfüllt – zur Erleichterung aller Beteiligten. Es ging von Beginn an darum, die alte Substanz zu erhalten und die Außenfassade möglichst unangetastet zu lassen, um den historischen Charakter der Holzskelettbauweise zu bewahren, wie Barbara Schäfer-Vollmer vom Fachbereich Denkmalschutz vor Ort mitteilte: „Wir sehen hier eine sehr behutsame Sanierung mit wenigen Eingriffen.“ Das Projekt sei von hoher ortsgeschichtlicher Bedeutung und in dieser Ausführung ein Glücksfall für das Areal am ehemaligen Güterbahnhof. „Wir waren mit dem Konzept komplett einverstanden.“

Rückblende: Mit dem Erwerb eines Teils des ehemaligen Güterbahnhof-areals im Rahmen des Programms „Stadtumbau in Hessen“ hatte die Stadt Zwingenberg im Jahr 2015 auch den denkmalgeschützten Güterschuppen hinter der ehemaligen Markthalle erworben. Das frei stehende Gebäude wurde einst für die Main-Neckar-Bahn errichtet und geht auf einen Plan aus dem Jahr 1858 zurück, wie Erste Stadträtin Karin Rettig in Vertretung des Bürgermeisters Holger Habich skizzierte. Nachdem diverse Ideen und Vorüberlegungen für die Folgenutzung angestellt wurden – unter anderem als Fahrradgarage oder Jugendzentrum – hat die Stadtverordnetenversammlung 2022 schließlich dem Projektvorschlag des Magistrats im Rahmen des Landesprogramms „Zukunft Innenstadt“ zur Reaktivierung des kleinen Gebäudes zugestimmt. Ermöglicht wurden der Erhalt und die Instandsetzung des Güterschuppens durch eine 85-prozentige Förderung aus den Mitteln des Landesprogramms und der Landesdenkmalpflege.

Nach einer Planungsphase von fast fünf Jahren konnte im Mai dieses Jahres mit den Sanierungsarbeiten begonnen werden. Bereits Anfang des Jahres wurden die Aufträge für die Zimmer- und Holzbauarbeiten vergeben. Danach konnte der Prozess flott vorangehen. Der Zwingenberger Güterschuppen ist laut Karin Rettig eines von sechs weiteren ähnlichen Gebäuden in der Umgebung, die mittlerweile jedoch alle verfallen sind oder abgerissen wurden. Unter anderem standen sie in Bensheim-Auerbach und in Hemsbach.

Auch in Zwingenberg wäre es im Januar 2023 beinahe zu einem Desaster gekommen: die Feuerwehr konnte in letzter Minute Glutnester unter der Holzverkleidung löschen, die mutwillig entfacht worden waren. Fast wäre die Biografie der Sanierung vorzeitig beendet gewesen. Der Erhalt des Schuppens sei nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Ortsgeschichte, sondern auch eine Weichenstellung für die zukunftsweisende Nutzung eines historischen Bauwerks.

Die Stadträtin wollte beim Richtfest nicht verschweigen, dass der Erwerb durch die Stadt in der Bevölkerung nicht unumstritten gewesen war. Immer wieder habe es Diskussionen über dessen zukünftige Nutzung gegeben.

Mit der finalen Planung sei man aber mehr als zufrieden. Da die Innenwände aus Holztafeln keine Verbindung zum bestehenden Gebäude haben, werde die historische Substanz des Güterschuppens nicht beeinträchtigt. Es handelt sich quasi um einen integrierten Holzrahmen in einer unangetasteten Hülle. Verglaste Elemente sorgen für Transparenz, ein betonierter Kellerraum dient als Technikzentrale. Im Eingangsbereich werden sanitäre Anlagen eingebaut. Die dort vorhandenen Dielen bleiben bestehen.Bei dem im Mai begonnenen ersten Bauabschnitt wurden zunächst die stark beschädigte Fachwerk- und Deckenkonstruktionen und die Fassadenschalungen erneuert. Schäden am Dachtragwerk wurden ebenfalls behoben.

Im zweiten Bauabschnitt entstanden im Rahmen des Innenausbaus drei solitäre Baukörper in Holzrahmenbauweise, die vom eigentlichen Güterschuppen mit seinem Sandsteinsockel getrennt sind. Dort sollen drei Büros und Lagerräume entstehen.

Die Raumaufteilung bietet viele attraktive Sichtachsen und gelungene architektonische Details, die neue und alte Elemente harmonisch vereinen. Neben einer Klimaanlage und einem Stromspeicher werden außerdem noch Photovoltaik-Module eingebaut, so der Zwingenberger Architekt Waldemar Seldenreich. Sein Planungsbüro „Baulustraum“ ist Mieter des Objekts. Seldenreich betonte, dass hier eine denkmalgerechte Sanierung und Revitalisierung mit einer modernen Nutzung kombiniert werde. Das sah auch Zimmermeister Thomas Höbel so. Nach einigen Schlucken Zwingenberger Wein und dem Segensspruch zerschellte das Glas traditionsgemäß auf dem Boden. In der Zunft heißt es: wenn das Glas zerspringt, wird alles gut.